ver.di kritisiert entschieden die Arbeitgeber in der Altenpflege, die ihren Beschäftigten die gesetzlich zustehende Corona-Prämie von bis zu 1.500 Euro bisher vorenthalten haben. Ausgerechnet die Beschäftigten, die oft nur den gesetzlichen Mindestlohn bekommen und in der Corona-Pandemie extrem gefordert und gefährdet seien, auch noch die gesetzlich geregelte Prämie zu verweigern, sei „einfach nur noch schändlich“, sagt Sylvia Bühler, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand. Eine aktuelle Studie der Steuerberatung ETL Advision zum Lohnvergleich in der Pflegebranche kommt zu dem Ergebnis, dass bundesweit bis Dezember 2020 mehr als 40 Prozent der Beschäftigten in den untersuchten ambulanten und teilstationären Pflegebetrieben die ihnen zustehende steuerfreie Corona-Prämie nicht erhalten haben. Für die Studie wurden mehr als 360.000 Datensätze ausgewertet, sie umfasst mehr als 1.000 Pflegedienste.
„Was läuft in dieser Branche noch alles schief, wenn selbst Geld, für das es einen Rechtsanspruch gibt und das die öffentliche Hand für diese außerordentliche Beanspruchung übernimmt, nicht bei den Beschäftigten ankommt?“, fragt die Gewerkschafterin. Betroffen seien vor allem viele Beschäftigte bei privaten Diensten in der ambulanten Altenpflege. Dafür könne es keine Entschuldigung geben. „Wer Verantwortung für die professionelle Pflege übernommen hat und hier sein Geld verdient, muss auch in der Lage sein, eine staatlich finanzierte Prämie zu beantragen und an die Beschäftigten weiterzureichen“, so Bühler. Alles andere zeuge von Desinteresse oder gar von Selbstbereicherung.
Gewerkschaftsmitgliedern gewährt ver.di Rechtsschutz
Den Betroffenen empfiehlt ver.di dringend, ihre Ansprüche gegenüber ihrem Arbeitgeber schriftlich geltend zu machen. Diese würden zwar mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Erstattungen durch die Pflegekassen mehr bekommen, aber das hätten sie sich selbst zuzuschreiben, sagt Bühler. Gewerkschaftsmitgliedern werde ver.di Rechtsschutz gewähren, wenn der Arbeitgeber den Anspruch nicht erfülle. Es sei zwar juristisches Neuland, aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Gerichte den Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber bestätigen, sei sehr hoch.
Finanziert wurde die Prämie aus Mitteln des Bundes und der Bundesländer, die Auszahlung erfolgte über den Arbeitgeber. Die Prämie war im vergangenen Jahr, nach einer tarifpolitischen ver.di-Initiative, vom Bundestag beschlossen worden und steht allen Beschäftigten in den Pflegebetrieben in Deutschland zu; sie sollte bis spätestens Ende Dezember 2020 ausgezahlt sein. Die Prämie sei ein wichtiges Zeichen der Anerkennung der Beschäftigten, betont Bühler. Aber klar sei auch: „Die Sonderzahlungen ersetzen keinesfalls eine grundlegend bessere Bezahlung in der Altenpflege und bessere Arbeitsbedingungen. Für die Zukunft brauchen wir dauerhaft bessere tarifliche Entgelte und Regelungen.“ Sie durchzusetzen, haben die Beschäftigten selbst mit in der Hand, wenn sie sich zahlreich gewerkschaftlich organisieren.